Mit Mut ins Neue Jahr

Das neue Jahr begann einer verordneten Verschnaufpause und einem ermöglichten Anlass zur Hoffnung. Sorgen bleiben genug, im persönlichen Leben wie im großen Kontext. Um die dunkle (Jahres)zeit noch gut durchzustehen, und die Herausforderungen bewältigen zu können, die auf uns heuer zukommen, empfiehlt es sich, ein paar Glücksbringer in der Tasche zu tragen.

#Kleeblatt, #Vertrauen

Aufgrund der Evolution sind wir grundsätzlich darauf angelegt, dem Bedrohlichen mehr Aufmerksamkeit zu schenken als dem Erfreulichen. Die dunkle Jahreszeit macht uns für Ängste noch anfälliger – wir haben schon rein räumlich weniger Spielraum. Die Natur ist im Winterschlaf und kann uns weniger Ausgleich bieten. Wir sind im Lockdown, im Homeoffice, praktizieren Social Distancing. Wir sind auf wenige Menschen angewiesen, was  zur Überfrachtung der Beziehungen und zu Verletzungen führen kann.

 

Jetzt braucht es eine aktive Entscheidung zu einer hoffnungsvollen Haltung. Das vierblättrige Kleeblatt ist Symbol für die besonderen Gaben des Lebens, die uns überraschend entgegenkommen. Um sie zu entdecken, braucht es eine vertrauensvolle Offenheit, die uns herausholt aus dem verlorenen Blick ins Leere oder aus dem zielgerichteten Blick auf den nächsten Berggipfel.

 

Vertrauen ist uns als Urvertrauen mehr oder weniger ausgeprägt in die Wiege gelegt, aber wir können uns auch bewusst für die Haltung des Grundvertrauens entscheiden. Gemeint ist nicht Biedermeierromantik oder sorgloser Übermut, sondern Entschiedenheit angesichts der wahrgenommenen Schwierigkeiten und der gegebenen Möglichkeiten: 1. Hürden, die wir bewältigt haben, 2. Ressourcen, die in uns liegen, 3. das Potential, das es noch zu entdecken gilt, und 4. das (oft unerwartete) Geschenk, das die Welt zu bieten hat.

Konkret können wir morgens beim Kaffee oder Tee ein Kleeblatt aufzeichnen mit diesen vier Qualitäten:

  • eine Herausforderung, die ich gestern bewältigt habe (z.B. ich habe ruhig reagiert als das Häferl kaputt ging)
  • eine Eigenschaft, die ich heute aktivieren kann, um mich für ein schönes Erlebnis zu öffnen (z.B. ich mag Musik und genieße heute den Song …) 
  • eine gerade aufblühende Fähigkeit, das ich entfalten werde bei der Erfüllung einer Aufgabe (z.B. ich lerne immer mehr, meinen Tag zu strukturieren, und heute werde ich dadurch zu Mittag eine Stunde Zeit fürs genussvolle Freisurfen haben) 
  • ein unerwartetes Geschenk, das ich heute vom Leben im Empfang nehmen möchte (z.B. jemand schenkt mir heute eine verbale oder nonverbale Anerkennung und ich werde darauf achten, sie anzunehmen).

Wenn wir das Kleeblatt wo hinlegen oder mit uns tragen, können wir uns tagsüber daran erinnern, und am Abend ev. etwas dazuschreiben. Schön ist es auch, dieses kleine Ritual gemeinsam zu machen; wobei es wichtig ist, einander von vornherein wohlwollende Zustimmung zuzusagen, und von Kommentaren – auch von gut gemeinten - abzusehen. 

#Fliegenpilz, #Vielfalt:

Menschen tendieren dazu, etwas besonders hoch zu bewerten, das ihnen genommen wurde oder das in Aussicht gestellt wurde, aber nicht eintraf oder dann doch nicht zugänglich war. Dieses „Reaktanzphänomen“ macht uns derzeit besonders zu schaffen. Neben den tatsächlichen Entbehrungen nagt das subjektive Gefühl, beraubt und eingeschränkt zu sein, an unserer psychischen Stabilität.

 

Hilfreich kann jetzt der bewusste Blick auf entstehende Freiräume und neue Optionen sein. Der Fliegenpilz ist nicht essbar, aber in seiner besonderen Schönheit hat er dennoch einen Wert. Es ist wichtig, die Traurigkeit, vielleicht auch Wut, über das, was wir vermissen, zuzulassen. Wir können dann auch Ausschau halten nach dem, was sich jetzt für uns und für die Welt eröffnet.

 

Konkret heißt das, sich bewusst zu machen: Was fehlt mir heute tatsächlich? Welches Bedürfnis steht hinter dem Kostbaren, und wie kann ich es doch nähren? Wenn mir der Theaterbesuch abgeht, kann ich ein Stück online anschauen und mich mit jemanden darüber am Telefon austauschen? Wenn ich gern Urlaub gemacht hätte, kann ich Pläne schmieden für den Sommer? Und: Was fehlt mir nicht und wie kann ich in Zukunft diesen wertvollen freien Raum erhalten, also Zeit und Geld besser investieren?

#Hufeisen, #Verbundenheit

Wir sind nun schon lange eingeschränkt in der Aufrechterhaltung der Beziehungen. Das schmerzt, und doch wäre es noch schlimmer, würden wir die Sehnsucht nach Nähe, Umarmungen, persönlichen Gesprächen gar nicht spüren! Dieses Jahr könnte eine Zeit der besonderen Wertschätzung werden, in der wir die Freude über die anhaltende, tiefe Verbundenheit feiern.

 

Das Hufeisen steht in Verbindung mit dem für den Menschen besonders kostbaren Tier, dem schnellen, kraftvollen, belastbaren und doch wendigen Pferd. Es kann ein Zeichen sein für die Dankbarkeit gegenüber allen, die uns tragen und unterstützen. Oft haben wir im Winter, nicht nur im Lockdown und aufgrund begrenzter Möglichkeiten, weniger Zeit und Kraft für Treffen. Wir können die Zeit der „Trennung“ nützen, um die Liebe im Stillen zu pflegen: Wenn ich meine Freunde vermisse, und der Telefonate oder Zoomtreffen müde bin, kann ich Fotos anschauen und vielleicht das eine oder andere mailen, mit ein paar lieben Worten. Ich kann eine gute alte Postkarte senden. Ich kann mich über die Orte, an die ich jetzt nicht reisen kann, informieren, um beim nächsten Besuch tiefer in das Land, die Kultur, die Landschaft einzutauchen.

 

Resilienz sprießt in Zeiten des Lichts und der Freude, ihre Kraft entfaltet sie in Zeiten der Dunkelheit. Glücksbringer erinnern uns im jungen Jahr daran, dass wir trotz des gefühlten Mangels Gestaltungsraum haben, und diesen Raum erweitern können. Und sie erinnern uns daran, dass wir nicht alles machen können und müssen, weil das Schöne, Belebende uns immer wieder auch findet.

 

Zum Glück.